Südostschweiz vom 18.11.17

Christian Rathgeb, Regierungsrat, Vorsteher Departement Justiz, Sicherheit und Gesundheit

1 Herr Rathgeb, wenn der Bundesrat schweizweit die Mindestfallzahlen in der Grundversorgung einführt,
wäre das das Aus für die zehn Bündner Regionalspitäler?

Ja. Die Grundversorgung für die Bevölkerung und Gäste könnte in den Talschaften nicht mehr auf dem
heutigen Leistungsumfang und Qualitätsniveau aufrechterhalten werden. Die in den letzten Jahren
geschaffene integrierte Versorgung in Form von regionalen Gesundheitszentren basiert auf den
Regionalspitälern. In diesen können wir die auf ein grosses mittelländisches Regionalspital ausgerichteten
Mindestfallzahlen nicht erreichen. Eine vernünftige Alternative zur integrierten Versorgung gibt es in
peripheren Räumen nicht.

2 Was werden Sie unternehmen, um die Gesundheitsversorgung in Graubünden weiterhin zu
gewährleisten?

Wir wehren uns mit allen Mitteln gegen zwingende Vorgaben, die wir nicht erfüllen können und deren
Sinnhaftigkeit nicht belegt ist. Klar ist, dass wir bei der Qualität keine Abstriche machen können. Es muss
weiterhin möglich sein, auch in peripheren Räumen eine Grundversorgung von der Geburt bis zur
Alterspflege aufrechtzuerhalten. Ich habe, nachdem ich vom Ansinnen des Bundesrates erfahren hatte,
umgehend eine Task Force eingesetzt. Wenn unsere sehr guten Argumente nicht gehört werden, behalte
ich mir vor (natürlich vor Erlass der Verordnung durch den Bundesrat), zu einem Aufstand auf dem
Bundesplatz aufzurufen. Wir können nicht hinnehmen, dass uns die Existenzgrundlage im Alpenraum
entzogen wird. Zuvor werde ich nun Koalitionen mit anderen Gesundheitsdirektoren, den
Krankenversicherern, Spitaldirektoren, Fachgesellschaften, Verbänden und anderen schliessen.

3 Ist es nicht Sache der Kantone, das Gesundheitssystem zu regeln?
Es ist in der Tat inakzeptabel, eine derart wesentliche Vorgabe einfach auf dem Verordnungsweg und
damit ausserhalb des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens beschliessen zu wollen. Die Vorgabe kommt
zwar moderat daher, deren Auswirkungen sind aber für uns fatal. Sie würden schlicht unsere
Existenzgrundlage zerstören. Für den Fall einer nur noch rudimentär gewährleisteten Grundversorgung
sinkt die Attraktivität für die Bevölkerung in unseren Talschaften massiv, und welcher Gast kommt in eine
Region, die nicht eine gute Gesundheitsversorgung hat? Nur nebenbei sei erwähnt, dass die
Gesundheitszentren in vielen Regionen heute die grössten Arbeitgeber und ein wirtschaftlich wichtiger
Faktor sind. Auch das wäre Vergangenheit. Wie bereits ausgeführt: Wir ergreifen sämtliche uns zur
Verfügung stehenden Mittel, um uns gegen das Ansinnen des Bundesrates zu wehren. Für mich ist dies
ein absolut unbegründeter und inakzeptabler Eingriff in die kantonale Autonomie.

4 Falls es so weit kommen sollte, gibt es einen Plan B?
Nein, zumindest keinen vernünftigen. Ich sehe es als meine, respektive unsere Aufgabe, zu verhindern,
dass es so weit kommt. Dieses Geschäft hat höchste Priorität. Die Task Force mit Claudio Candinas,
Joachim Koppenberg, Reto Keller und Philipp Gunzinger leistet ausgezeichnete Vorarbeit.